Nach dem gestrigen, völlig vernebelten Tag begrüßt uns heute strahlenden Wetter. Unser einheimischer Koch Arturo, der uns nun drei Wochen bekochen wird, brät die ersten Fladen, die mit süßem Aufstrich ganz lecker schmecken. Wir packen die Zelte zusammen und bewundern dann das Geschick der Einheimischen, die Lamas zu bepacken. Jedes Lama nur 15 Kilo! Also Gepäck aufteilen, genau abwiegen, in Form bringen damit es nicht drückt und dann auf den Lamas festschnallen. Dann machen wir uns auf die 1300 Höhenmeter Aufstieg zum Basislager. Die Lamas starten zwar nach uns, holen uns aber schnell wieder ein. Aber sie bekommen lange Freßpausen zwischendurch, so das wir im Endergebnis ungefähr die gleiche Geschwindigkeit haben. Zunächst haben wir nur eine Aussicht zurück nach Cocoyo, aber als wir einen Grat überschreiten breiten sich die Fünf- und Sechstausender vor uns auf. Angefangen beim Pico Esperanza (5760m) mit einer Ostwand, die der Badile Ostwand zum verwechseln ähnlich sieht und genau so steil ist (nur mehr als tausend Meter höher liegt) über den Pico del Norte (6070m) mit seinen tausend Pfeilern, dem Illampu (6368m) bis zu unserem Ziel, dem Jankhouma (6427m, andere Schreibweisen verfügbar:-)) Wir müssen weitere Grate überschreiten, die uns bis etwa 4800 Meter hoch führen, eine Höhe, die ich noch nie erreicht habe. Das Basislager liegt etwas niedriger auf 4651 Meter sehr schön gelegen zwischen einem Bach und dem Lago Negro. (Der heißt auf der AV Karte zwar anders, aber alle benutzen diesen Namen).
Der nächste Tag ist eigentlich als Ruhetag eingeplant, aber ich fühle mich gut und mache mich auf die Wanderschaft. Dabei sticht mir eine kleine Kuppe mit Felsaufbau ins Auge, vor allem, weil die Karte dafür als Höhe 4900m angibt, und damit höher ist, als alles in den Alpen. Aber als ich oben bin treibt es mich den sich anschließenden Grat weiter hoch, bis der Höhenmesser 5000 Meter anzeigt.Eine schöne Sicht habe ich, auf die Kette mit de Sechtausendern und auf die parallel dazu verlaufende Kette mit den Fünftausendern. Und aus mehr bestehen die Cordillera Real ja auch nicht, und wir liegen mit unserem Basislager mittendrin.
Bevor unser Organisator, Robert Rauch, wieder absteigt, will er uns noch die Gegend zeigen, insbesondere die möglichen Plätze für Hochlager und die Zustiege zu den Gipfeln. Also erkunden wir die Gegend und wir lernen ihre Besonderheit kennen. Die Talböden sind alle ziemlich eben und sehr feucht, viele Seen und Tümpel, der Rest sehr moorig. Es ist nicht immer leicht, diese Talböden zu durchqueren oder sie zu umgehen, aber es gibt immer einen Durchschlupf, wenn man weiss, wo sie sind. Nach dieser Erkundung geht es dann ans Bergsteigen, den der Viluyo Jankhouma steht auf dem Programm. Ein Fünfeinhalbtausender mit mehreren Gipfeln, dessen nordwestlichster direkt über dem Basislager aufragt. Dorthin brechen wir am nächsten Morgen auf, zunächst muß mühsam der See umgangen werden, dann einen stark mit großen Grasbüscheln bewachsener Hang hoch bevor er zu einer noch mühsamerenGeröllhalde mutiert. Noch vor dem Gletscher queren wir nach links raus und erreichen in gelegentlicher einfacher Kletterei den Grat, der zum Gipfel hochzieht.Dort bleiben Anja und Phlippe leider zurück, Olaf, Matthias und ich gehen weiter, erst noch etwas auf dem Grat und schließlich auf dem Gletscher bis zum Gipfel (5540m). Leider hat es nach dem anfänglich sehr schönen Morgen zugezogen, so das wir praktisch keine Aussicht haben. Schade!
Die nächsten Gipfel sind nicht mehr an einem Tag zu haben, also müssen wir jetzt mit Hochlagern arbeiten. Zelte, Isomatten, Schlafsäcke, Kocher und Essen für mehrere Tage summiert sich zu ziemlich schweren Rucksäcken (meiner wiegt jedenfalls knapp 30Kilo) die wir selber (wir hätten auch Lamas dafür organisieren können) zu unserem ersten Hochlager hochschleppen. Zwar nur etwa 400 Höhenmeter, aber eine erklecklich Entfernung durch unwegsames Gelände. Ich jedenfalls tue mich ziemlich schwer und laufe den anderen hinterher. Nach einem leichten Streit uber den besten Platz schlagen wir das Lager dann auf ungefähr 5050 Meter am Fuße des Gletscher auf, der südwestlich von den Gipfel des schon bekannten Viluyo Jankhouma herunterzieht. Und auch danach gibt's keine Bequemlichkeit, den Wasser und Essen müssen wir jetzt selber Kochen. Letzteres besteht aus dem üblichen gefriergetrockneten Bergsteigeressen: Tüte aufreißen, heißes Wasser rein und 10 Minuten warten. Fischtopf Rügen oder ähnliche 'Geschmacksrichtungen' standen zur Auswahl. Aber es machte satt.
Am nächsten Morgen brachen wir dann auf zum Viluyo Jankhouma II, dem mittleren der drei Gipfel. Anja, Philippe und Olaf bildeten eine Seilschaft, währen Matthias mich zu einer kleinen Direktvariante überredete. Wir trennten uns also auf dem Gletscher und während die anderen dem Gipfel zustrebten, mußten wir erst noch in munterem auf- und ab den Gletscher queren, wobei einige steilere Passagen bereits den Einsatz beider Eisgeräte erforderte. Dann standen wir unter einer Eisrinne, die direkt von Gipfel nach südwesten herabzog. Sah eigentlich nicht sehr hoch aus. Aber zunächst mußte ein etwa 20 Meter hoher Felsriegel überwunden werden. Der stellte sich als total brüchig und schwierig heraus. Der erste Versuch scheiterte, vor allem auch, das es durcvh eine Kaminverschneidung ging, die mit Rucksack unüberwindlich war. Also kommt Matthias (der dies und alles andere in gewohnt souveräner Art Vorstieg) wieder herunter, nicht ohne dabei die Schneebrücke über die Randkluft deutlich zu reduzieren. Ohne Rucksack gelang es ihm dann, r zog die Rucksäcke hoch (genug Bigwallerfahrung hat er ja) und ich stieg hinterher. Danach folgte dann die eigentliche Eisrinne, bis etwa 70 Grad steil, aber dafür war das Eis meistens auch nur schlechter Firn. Dadurch das er sich aber immer dicht an den Felsen hielt, konnte er doch gute Sicherungen legen aber wir waren dadurch nicht übermäßig schnell. Aber es sah immer so auf, als ob wir gleich oben seien. Das war aber ein Trugschluß, es kamen doch 8 Seillängen mit bis zu 50 Meter Länge heraus und erst gegen 18.00 Uhr standen wir auf dem Gipfel. Eile war geboten, denn lange war es nicht mehr hell.Leider sahen wir keine Spuren der anderen und da wir den Abstieg nicht kannten beschlossen wir, einen Notabstieg nicht zum Hochlager, sondern zum Basislager zu machen. Diese Weg kannten wir ja schon von unserem ersten Ausflug auf den Gipfel.Im letzten Dämmerlicht hatten wir den Gletscher hinter uns und mußten nun im Dunkel mit nur einer Stirnlampe (ich hatte meine vergessen) durch Geröll und Vegetation absteigen. Zu allem Überfluß fing es dann auch noch an zu schneien und erst gegen 22.00 konnten wir dann Arturo wecken, der uns noch was zu essen machte.
Matthias stand dann am nächsten Morgen früh auf und rannte wieder zum Hochlager hoch, schließlich machten sich unsere Kameraden sorgen um uns. Ich ließ mir einige Stunden mehr Zeit, denn ich war ziemlich bis völlig erledigt, so dass ich mir auch die Tour auf den Viluyo Jankhouma III am nächsten Tag entgehen ließ. Wir bauten dann das Lager ab und stiegen zum Basislager runter. Anderthalb Wochen waren jetzt schon vergangen und Anja und Philippe packten ihre Sachen, denn sie mußten zurück und wollten das in Form einer Treckingtour von unserem Lager aus zuück nach Sorata machen.
Für Olaf, Matthias und mich ging jetzt der Ernst des Lebens los, denn nun stand der Sechstausender Jankhouma auf dem Programm. Also wieder sauschwere Rucksäcke packen und auch schleppen. Die erste Tagesetappe war aber moderat, nur etwa fünfhundert Höhenmeter bis zur einzigen flachen Stelle vor dem Gletscher. Hier hatten wir abends eine Superaussicht auf unsere Fünfeinhalbtausender und die dahinterliegende Yunga, das bolivianische Flachland. Leider war letzteres immer von einer dicken Wolkenschicht bedeckt. Aber nach dem dunkelwerden konnten wir dort ein gigantisches Gewitter verfolgen.
Die zweite Etappe führte uns erst über eine Moräne und dann auf den Gletscher dessen weites Becken wir bis an den Fuß des Jankhouma queren mußten, bis wir in etwa 5600 Meter Höhe unser eigentliches Hochlager aufschlugen. Bis dahin hatte ich mich sehr gut gefühlt und auch das befestigen des Zelts (lauter kleine T-Anker im harten Eis verbuddeln) ging noch gut aber danach baute ich plötzlich total ab und konnte nicht einmal mehr meine 'leckere' Astronautennahrung essen.
Am nächsten Morgen gings dann aber wieder und wir brachen auf zum Gipfelsturm. Aber es war sehr kalt und windig, über die Grate fegten lange Schneefahnen, so das wir beschlossen, doch erst nochmal ins Basislager abzusteigen, allerdings mit einem kleinen Umweg über den Jankhopiti, einer 5875 Meter hohen Schneekuppe, die also etwas 300 Meter aus dem Gletscher herausragt. Nach einem letzten steilen und schmalen Grat standen wir auf dem Gipfel (nur einer hatte richtig Platz) und konnten zum ersten Mal in alle Richtungen schauen: Zu unseren schon bestiegenen Gipfel und dem Dschungel dahinter (natürlich wieder in Wolken) und zum ersten mal auch Richtung Titicacasee. Dieser Abstecher hatte sich gelohnt!
Leider verschlechterte sich das Wetter jetzt sehr stark, es hatte zwar auch vorher schon Nachts immer mal etwas geschneit, aber diese Nacht wars richtig viel und es blieb auch alles liegen. Und Olaf und ich holten uns noch eine handfeste (bermutlich) Kohlendioxydvergiftung. Denn wir saßen zu viert im Küchenzelt, hatten es wegen des Wetters dicht gemacht, kochren und es hatte keine Lüftung. Jedenfalls war wohl irgendwann kein Sauerstoff mehr da und uns gings sauübel. Trotzdem sind wir dann am nächsten morgen (also nach einem Ruhetag im Basislager) wieder auf Richtung Hochlager (das wir natürlich stehen gelassen hatten). Leider war Olaf doch geschwächter als gedacht und dreht nach der halben Strecke um und mußte auf den Gipfelsturm verzichten Da waren wir nur noch zwei und hatten Probleme, unser Zelt wiederzufinden. Ich befürchtete schon, es sei zugeschneit und wir müssten es augraben, aber dann tauchte es doch aus dem Nebel auf. Matthias erledigte dann wieder, wie schon beim ersten Versuch, die mühsame Arbeit des Wasserkochens, denn man muß ja in der Höhe viel trinken, aber dazu muß Schnee geschmolzen werden. Eine langwierige Aufgabe.
Zu zweit stiegen wir dann am nächsten Morgen los, erst eine Schneerampe die dann in einer etwa 100 Meter hohen Eiswand mit bis gut 50 Grad Steilheit endete. Dort war ordentliche Eiskletterei erforderlich, aber die Verhältnisse waren zum Glück so gut, das wir seilfrei gehen konnten. Hätten wir sichern müssen, hätten wir viel Zeit verloren. Die Eiswand endete auf einem Plateau und schon von hier konnte man, zwischen Jankhouma und Illampu den Titicacasee sehen. Wir überquerten dann das Plateau und eine weitere Eiswand, steil und hoch wie die andere leitete dann auf den Südwestgrat des Jankhouma. Dieser war auch nicht von schlechten Eltern und hätte konzentrierte Kletterei erfordert. Aber wir waren jetzt scho 6100 Meter hoch und ich war doch schon einigermaßen erledigt. Ich überlegte also, weitergehen oder nicht. Ich habe mich dann entschieden, nicht weiterzugehn. Vielleicht hätte ich den Gipfel, der ja nur noch etwa 300 Meter über uns lag, erreicht, aber ich hätte ja auch wieder runter müssen. Und ich befürchtete, dann so geschwächt zu sein, dass ich diese steilen Passage nicht konzentriert genug hätte absteigen können, und man weiß ja, der Abstieg ist das Gefähliche beim Bergsteigen. Also ließ ich Matthias alleine weitergehen, was akzeptabel war, da wir ja nicht mehr auf dem Gletscher standen (die übrigens alle eigentlich ziemlich harmlos waren). Wärend er also weiterstieg, genoß ich noch eine Weile die Aussicht in fast alle Himmelsrichtungen und auf den von hier aus sehr imposanten Illampu. Das es aber hier auf dem Grat nicht wirklich bequem war kletterte ich also die Eisflanke bis zum Plateau ab und wartete dort auf Matthias. Machmal hatte ich schöne Sicht, manchmal sah ich kaum die Hand vor Augen, aber zum Glück war es nicht wirklich richtig kalt und so überstand ich die vier Stunden bis Matthias wieder bei mir war, unbeschadet. Gemeinsam kletterten und stiegen wir dann zurück zum Zelt und verbrachten unsere letzte Nacht am Berg.
Beim Abstieg zum Basislager waren unsere Rucksäcke dann noch voller als beim Aufstieg, wir mußten ja auch Olafs Sachen zu Tale tragen. Und ich hatte auch noch etliche Kilo Müll am Rucksack, denn nicht jede Tüte Hochlageressen hatte vollständig den Weg in den Magen gefunden. Die Reste bildeten schöne schwere tiefgekühlte Brocken, die ich hier nicht in die Landschaft werfen wollte (erst im Geröll hab ich sie dann gut versteckt entsorgt).
Damit war dann auch unsere Zeit gekommen und wir mußten zurück in die Zivilisation. Lamas packen, Abstieg nach Cocoya und Rückfahrt nach Sorata klappte dann gut und auch schnell, so dass wir zum Schluß noch einen extra Tag in La Paz Zeit hatten, die Märkte der Stadt zu durchstreifen. Und zum Abschluß hatten wir dann aus dem Flugzeug heraus hnoch einen wunderschönen Ausblick auf die gesamte Kette der Cordillera Real.
Günter Gersdorf